Kleine Pause
Am 20. Juli wird meine nächste Predigt hier zu lesen sein. Zwei Sonntage habe ich predigtfrei. Vielen Dank für Euer Verständnis!
Genießt den Sommer! Liebe Grüße, Euer Rupert Ebbers
(H)eilige Fragen
Predigt am 29.06.2025 (Peter und Paul) in Oy
Es ist schön, dass wir heute das Fest zweier großer Heiliger feiern dürfen, die doch so unterschiedlich sind! Es ist schön, dass wir uns freuen dürfen am Zeugnis ihres Lebens! Es ist schön zu sehen, dass diese Heiligen sich fragen ließen! Und ich denke, auch wir dürfen uns mit dem hl. Petrus und dem hl. Paulus fragen lassen, uns an-fragen lassen von Gott. So können wir im Glauben wachsen.
1. Für wen hältst Du mich?
Die Szene mit der ersten Frage haben wir gerade im Evangelium gehört (Mt 16,13-19). Der Wanderrabbi Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Pilgerweg des Glaubens unterwegs. Unvermittelt fragt er sie: Für wen halten mich die Leute? Verschiedene Antworten. Dann wird die Fragestellung persönlicher und drängender: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? So oft wir uns mit unserem christlichen Glauben auseinandersetzen, stoßen wir letztlich auf diese Frage: Wer ist dieser Jesus? Doch das ist mehr als nur eine theologisch interessante Frage. Es ist vielmehr eine existentiell relevante Frage, denn an der Frage kommt niemand vorbei, der Christ sein will: Wer ist dieser Jesus für mich? Was bedeutet er mir? Wie würde ich ihn beschreiben? Ja, es ist eine Grundfrage des Glaubens. Das Evangelium verschweigt uns, was die einzelnen Apostel geantwortet haben. Das hätte ich gerne gehört. Vielleicht haben sie auch nichts geantwortet. Vielleicht waren sie von der Frage überrascht, ja überfordert. Und was bedeutet dieser Jesus für Sie? Haben Sie eine Antwort parat? Wie sollten dran bleiben an dieser Frage. Denn mit dieser Frage steht und fällt, wächst und reift unser Christsein: Wer ist Jesus für mich? Lasse ich mir von Jesus in die Augen schauen und mich unausweichlich an-fragen: Für wen hältst Du mich? Die Antwort, die Petrus schließlich antwortet – er ist ja so oft der Sprecher des Apostelkollegiums – diese Antwort ist natürlich für jeden Theologen brilliant: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Das Bekenntnis zur Gottessohnschaft Jesu ist das Fundament des Christentums und der Felsengrund der Kirche. Danke, Petrus! Aber damit bin ich ja nicht raus. Nein. Ich bin drin im Kreis der Jüngerinnen und Jünger Jesu, im Freundeskreis, wenn sie so wollen, ich bin eine oder einer von denen, die von Jesus angefragt werden: Für wen hältst Du mich? Und meine Antwort will keine auswendig gelernte Antwort sein, nur weil sie vielleicht so im Katechismus steht. Es muss meine ganz persönliche Antwort sein: Lieber Jesus, ich halte Dich für … Ja, das ist die erste Frage, über die wir an diesem Apostelfest stolpern, die unmittelbare Anfrage durch Jesus selbst: Du aber, für wen hältst Du mich?
2. Liebst Du mich?
Obwohl Petrus von Jesus zum Fels seiner Kirche ernannt wurde, wird dieser Petrus von Jesus wieder neu angefragt – und zwar nach der Auferstehung. Da stehen die beiden am See und Jesus nutzt die Gelegenheit, um Petrus, der ihn dreimal verraten hatte, dreimal sehr intim zu befragen: Petrus, liebst Du mich? (Joh 21,15.16.17)
Ja, wir können diese Frage natürlich weit von uns wegschieben und sagen: Ich bin doch nicht Petrus, ich bin mit dieser Frage nicht gemeint … Wenn wir das Evangelium historisch auslegen, ist das korrekt. Aber das Evangelium ist mehr als nur ein Bericht, wann Jesus wen was gefragt hat. Es ist vielmehr eine Einladung, dass wir hier und heute dem Auferstandenen begegnen können und dürfen. Und so gesehen ist diese Frage, die hier an Petrus gerichtet ist, eine Frage, die an uns alle gestellt ist, die Frage Jesu: Liebst Du mich? Es ist eine Herzensfrage, die auf der Glaubensfrage „Für wen hältst Du mich?“ aufbaut. Petrus wird nachdenklich, als Jesus ihn nicht nur einmal oder zweimal, sondern sogar ein drittes Mal fragt. Offenbar war es Jesus sehr wichtig, dass sich Petrus die Antwort gut überlegt, dass er ganz ehrlich antwortet. Als ob Petrus einweinig ins Stottern käme, bekennt er dem Auferstandenen schließlich: Du weißt alles, Du weißt auch, dass ich Dich liebe! Dem Geständnis der Liebe geht hier voraus der Hinweis, dass der fragende Jesus einer ist, der „alles weiß“: Jesus kennt auch meine Schwächen, meine Schattenseiten, er weiß um den Verrat, den Petrus bitterlich beweint hatte. Wie gut, dass Jesus „alles“ weiß. Vor ihm brauche ich nichts verbergen, nichts beschönigen. Auch wenn die Freundesliebe des Petrus zu Jesus, seinem Meister, schwach sein mag: Solange der Docht noch glimmt, kann sich das Feuer neu entfachen ... Lassen auch wir uns von Jesus an-fragen: Liebst Du mich?
3. Genügt Dir meine Gnade?
Schließlich: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.“ (2 Kor 12,9) So sagt Jesus dem Apostel Paulus. Gnade? Will ich mir Gnade schenken lassen? Oder will ich nicht lieber alles selber machen? Ist Jesus einer, der mir Gnade schenken kann und schenken will? Kann ich das zulassen? Brauche ich seine Gnade, die er mir in Kreuz und Auferstehung erworben hat? Die Gnade der unverdienten Barmherzigkeit? Die Gnade des ewigen Lebens? Die Gnade der Eucharistiefeier? Darum lege ich uns als dritte An-Frage Jesu diese Frage ans Herz – nicht nur wenn wir uns hilflos fühlen: Genügt Dir meine Gnade?
Für wen hältst Du mich? Liebst Du mich? Und: Genügt Dir meine Gnade? Die großen heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus haben auf diese Fragen geantwortet mit ihrem Leben. Auch wir sind eingeladen, ja aufgefordert, mit Petrus und Paulus uns von Jesus an-fragen zu lassen. In jeder Eucharistiefeier bekennen wir mit Petrus: Du bist der Sohn des lebendigen Gottes! Und wir erneuern mit Petrus das: Du weißt alles, Du weißt auch, dass ich dich liebe! Und mit Paulus empfangen wir hier große Gnade, die uns genügt in all unserer Schwachheit. Das Christus-Bekenntnis, die Christus-Liebe, die Gnade Christi – all das prägt unseren Weg, den wir in diesem Heiligen Jahr gehen dürfen – mit den Apostelfürsten Petrus und Paulus – als Pilger der Hoffnung. Amen.
Unangenehme Fragen
Predigt für den 22.06.2025 (C/12)
Ich behaupte, ich bin ein offener Mensch, und Sie können und dürfen mich so ziemlich alles fragen. Bisher haben Sie mich da allerdings geschont … Meine Schüler sind da ganz anders: Die fragen mir manchmal Löcher in den Bauch. Neben den schlauen oder interessanten Fragen gibt es manchmal auch eher unangenehme Fragen. Drei Beispiele: Kann es sein, dass sie heute nicht gut drauf sind? Oder: Für wen halten sie sich eigentlich? Oder: Haben sie sich schon mal überlegt, ob das, was sie heute anhaben, ihnen überhaupt steht? Über genau diese drei Schülerfragen möchte ich mit Ihnen heute nachdenken. Warum? Weil ich glaube, dass das Wort Gottes heute genau diese Fragen an uns stellt …
Kann es sein, dass sie heute nicht gut drauf sind?
Jesus sagt in heutigen Evangelium (Lk 9,18-24), wir sollen ihm nachfolgen, indem wir täglich unser Kreuz auf uns nehmen. Was für eine Aufforderung! Wer will schon täglich sein Kreuz auf sich nehmen? Wir wollen doch alle möglichst glücklich sein und möglichst sorgenfrei und unbeschwert leben! Wer von uns will da ein schweres Kreuz tragen? Was mit dem Kreuz gemeint ist im Alltag eines christlichen Lebens und was damit nicht gemeint ist, ist eine spannende Frage und eine unausweichliche. Nicht gemeint ist bestimmt, dass wir uns Kreuze suchen oder freiwillig auferlegen sollen. Das Kreuz, mit dem wir in der Nachfolge Jesu konfrontiert werden, ist immer ein unabwendbares Kreuz. Wir dürfen und sollen also alle Möglichkeiten nutzen, um Leid zu überwinden. Ja, bitte! Aber es gibt eben das unabwendbare Leid in jedem Leben. Und wie gehen wir damit um? Kann es sein, dass sie heute nicht gut drauf sind? Das merken andere schnell, dass uns etwas drückt oder belastet. Wir sind tatsächlich nicht gut drauf. Ja, man kann nicht immer gut drauf sein. Das stimmt. Aber vielleicht können wir in der Nachfolge Jesu versuchen, dass wir nicht von anderen erwarten, sie müssen unser eigenes Kreuz tragen. Das unabwendbare Leid ist eben mein Leid. Und der Gedanke, dass Jesus auch gelitten hat, nimmt mir das Leid zwar nicht weg, aber vielleicht macht es mir etwas leichter, in dem Moment mein Kreuz anzunehmen. Deswegen bin ich vielleicht nicht gut drauf. Aber ich muss mein Leid nicht anderen aufbürden. Das Leben hat es mir zugemutet und Gott trägt mit mir an meinem Leid. Ich darf Jesus, dem Kreuztragenden, nachfolgen. So ist das also, wenn ich mal nicht gut drauf bin…
Die zweite Frage: Für wen halten sie sich eigentlich?
Ein solche Schülerfrage höre ich Gottlob selten, höchstens dann, wenn ich mich ausnahmsweise mal zu einer strengeren Disziplinarmaßnahme entschieden habe und die oder der Jugendliche sich wehren will: Dann mag diese durchaus frech gemeinte Frage im Raum stehen. Aber mal im Ernst: Für wen halte ich mich eigentlich? Wer von uns kann diese Frage so ohne Weiteres leicht beantworten? Im Evangelium lese ich immer wieder als eine atemberaubende Szene, wenn Jesus sich erkundigt bei seinen Jüngern, für wen die Leute ihn halten. Dann bleibt er stehen, schaut jedem ins Gesicht, und formuliert diese Frage: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Es wurde ganz still. Einige schauten auf den Boden. Andere schauten sich an. Keiner wusste eine schlüssige Antwort. Bis schließlich Petrus wieder mal das Wort ergreift und als Sprecher des Apostelkollegiums die Antwort formuliert, für die jeder Theologe ihm heute noch die Füße küsst: Du bist der Christus, der Gesalbte Gottes. Sie dürfen, liebe Schwestern und Brüder, diese Antwort des Petrus gerne für sich übernehmen. Oder sie haben eine ganz andere Antwort: Ihre persönliche Antwort. Für wen halten sie diesen Jesus? Was bedeutet er ihnen? Welche Rolle spielt er in ihrem Leben? Solche Fragen wie: Für wen halte ich mich eigentlich? Oder für wen halte ich Jesus eigentlich? sind Grundfragen, die uns immer wieder begleiten. Wir sollten ihnen nicht ausweichen. Mit wachsender Erfahrung kann auch unsere Antwort wachsen.
Und die dritte Schülerfrage, die mir einfiel, war die nach dem, wie ich gekleidet bin. Also die Älteren sprechen mich da nie drauf an. Das war kürzlich meine 5. Klasse, die wusste, dass das, was ich da heute anhatte, mir überhaupt nicht steht … Daran musste ich denken bei dem Vers in der heutigen Paulus-Lesung (Gal 3,27): Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Zum Taufritus gehört, dass der oder die Neugetaufte das weiße Taufkleid angelegt bekommt. Es ist ein Zeichen für das Neugeschaffensein in Christus, also genau für das, was Paulus so formuliert, dass wir in der Taufe sozusagen Christus wie ein Kleidungsstück angezogen haben. Wenn meinen Schülern mein Outfit nicht gefällt, erschüttert mich das nicht wirklich. Aber die Frage ist doch berechtigt: Das Christusgewand, das ich mir als Christ jeden Tag anziehe, wie sieht es aus? Bin ich darin gut gekleidet? Oder ist das Erscheinungsbild meines Christseins, mit dem ich mich täglich bekleide, eher lächerlich wie ein Feigenblatt oder dürftig wie ein Minirock oder übertrieben wie eine Uniform? Was würde ich an meinem Christus-gewand noch gerne ändern wollen, damit es zu mir passt und damit andere mich so gerne anschauen: Du bist aber schick gekleidet im Gewand Deines Glaubens!
Die Fragen, die uns im Leben manchmal gestellt werden oder die das Leben an uns stellt, sind keine anderen Fragen als jene, die das Evangelium an uns stellt. Lassen wir uns an-fragen!
Kann es sein, dass sie heute nicht gut drauf sind? Wie trage ich mein tägliches Kreuz in der Nachfolge Christi?
Für wen halten sie sich eigentlich? Die Frage, wer ich eigentlich bin und für wen ich Jesus eigentlich halte, bleibt eine Grundfrage meines Mensch- und Christseins.
Und die Frage, ob ich angemessen gekleidet bin, ob mein Erscheinungsbild als Mensch und als Christ ansprechend ist, kann auch sehr hilfreich sein.
Mit unserer wachsenden Lebens- und Glaubenserfahrung wollen mit diesen Fragen auch unsere Antworten wachsen. Und die dürfen wir dann geben mit unserem täglichen Leben.
Amen.
Behüten, Begleiten, Beflügeln
Predigt am 14.06.2025 in Petersthal
Wenn ich zurückdenke an meine Kindheit und dann an mein Jugendalter und wie ich heute bin als Erwachsener: In diesen drei ganz unterschiedlichen Lebensphasen war ich doch immer ein und dieselbe Person ... Mit dem Judentum und mit dem Islam verbindet das Christentum den Glauben an den einen und einzigen Gott. Wir Christen aber glauben den einen Gott in drei Personen. Die göttliche Dreifaltigkeit ist das Grundgeheimnis unseres Glaubens. Unzählige schlaue Bücher wurden über dieses Geheimnis geschrieben. Wenn wir heute das Hochfest der hlst. Dreifaltigkeit feiern, dann ist weniger unser Bestreben, dieses Geheimnis möglichst ganz zu verstehen – schließlich ist und bleibt es ein Geheimnis, als vielmehr sich diesem einen Gott in drei Personen wieder neu, bewusst und dankbar anzuvertrauen und Gott zu preisen, dass wir ihn als den dreifaltigen loben, ehren und anbeten dürfen.
Für mich ist seit einigen Jahren ganz stark das Bild: Gott Vater ist der Gott über mir, der mich behütet; Gott Sohn ist der Gott neben mir, der mich begleitet; Gott Heiliger Geist ist der Gott in mir, der mich beflügelt. Das mag eine etwas naive Theologie sein, könnte man anmerken, aber da nehme ich ein bisschen Naivität gerne in Kauf, wenn es für mich so tragfähig und lebensförderlich ist. Und unser Gottesbild – was hat es für einen Sinn, wenn es nicht tragfähig ist und lebensförderlich … ? Also: Der Vater ist über mir und behütet mich, der Sohn ist neben mir und begleitet mich, der Geist ist in mir und beflügelt mich …
Eltern wollen ihre Kinder beschützen. Das ist eine Art Urinstinkt, dass sich elterliche Fürsorge darin ausdrückt, dass ihren Kindern möglichst nichts passiert. Und was tun Eltern nicht alles, damit ihren Kindern nichts zustößt. Man kann sie nicht in Watte packen die Kinder. Es gibt ja auch ein zuviel an Behütetsein, das ist auch nicht gut, die Kinder müssen ja lernen, eigenverantwortlich zu handeln. Aber: Ob es die kleinen Kinder sind oder längst erwachsen gewordenen: Ich denke, Eltern wollen immer ihre Kinder vor allem möglichen Schaden und Unbill behüten. Wenn Jesus uns lehrt, Gott als Vater anzusprechen, dann ist es doch naheliegend, dass wir diesem Gott Vater genau dies zutrauen: Er will uns behüten! Auf manchen alten Bildern kommt aus einer Wolke des Himmels eine Hand, die über den Menschen schwebt. Diese ausgestreckte Hand will zeigen: Ich passe auf Dich auf, unter meinem Schutz bist Du geborgen, ich bin bei Dir als jemand, der Dich behüten will auf allen Deinen Wegen. Ob der Vater jetzt ganz in meiner Nähe ist oder ob ich einfach weiß, dass seine behütende Liebe mich umgibt: Ich darf mich beim Vater behütet und geborgen fühlen. Dafür steht der Vater. Dafür steht Gott Vater. Er hat mich angenommen als sein unendlich geliebtes Kind in der Taufe. Wie sollte Gott nicht jeden Augenblick meines Lebens darauf bedacht sein, mich möglichst zu behüten. Danke, Gott Vater im Himmel! Du lebst über mir und gibst auf mich acht, Du behütest mich alle Tage meines Lebens. Danke!
„Ihr seid meine Freunde,“ sagt Jesus im Abendmahlssaal zu seinen Jüngern. Diese überraschende Anrede seiner Schüler als seine Freunde lässt mich an meinen Jesus denken als einen Freund, der einfach an meiner Seite ist, der mich kennt und mich versteht. Jesus wird ja ganz Mensch wie wir, um unser Menschsein mit uns zu teilen, um einzutreten in unser menschliches Leben. In Jesus kommt Gott uns näher, als Gott in allen anderen Religionen den Menschen nah sein kann, denke ich. Jesus ist der Gott, der mit uns auf Augenhöhe unterwegs ist, der uns begleitet auf Schritt und Tritt. Ihm können wir alles sagen, alles anvertrauen, er kennt alle unsere Empfindungen und Gefühle, unsere Fragen und Sorgen, alles, was eben menschlich ist, hat dieser Menschgewordene mit uns und für uns selber erfahren, erlebt und erlitten. Darum ist Jesus für mich ein perfekter Freund, ein treuer Lebensbegleiter. Danke, dass Du mich immer begleitest, lieber Jesus, Tag für Tag, Stunde für Stunde … Danke!
In der zweiten Lesung heute (Röm 5,1-5) sagte der Apostel Paulus, dass Gott seine Liebe ausgegossen hat in unsere Herzen. Wie hat er das gemacht? „Durch den Heiligen Geist“, erklärt Paulus. Ja, der Heilige Geist ist der Gott, der in mir lebt und wirkt. Er schwebt nicht über mir wie ein behütender Vater und er geht nicht neben mir ein wie begleitender Freund, sondern er atmet in mir, um mich anzutreiben, mich zu ermutigen, mich zu trösten, mir in Momenten der Angst neue Zuversicht zu schenken, mir in Momenten der Resignation wieder neuen Antrieb zu verleihen, mich in ausweglosen Situationen zu inspirieren und zum Guten zu beflügeln. Da wir den Heiligen Geist ja oft als Taube darstellen, ist dieses Wort beflügeln für mich ein passendes Wort. Der Heilige Geist will mir Flügel verleihen, wenn ich festsitze und nicht weiterweiß, wenn ich einfallslos bin und nach dem Sinn Frage. Der Heilige Geist schenkt mir von innen heraus z.B. durch die Stimme meines Gewissens Impulse zum Guten, Phantasie, wie ich das Gute tun kann – nicht selten trotzdem tun kann … Danke, Gott, Heiliger Geist, dass Du in mir wohnst und wirkst, dass Du mich zum Guten ermutigst und mich beflügelst, damit ich die Freiheit verkoste, zu der Gott mich geschaffen hat. Danke!
So lasst uns also bei jedem Kreuzzeichen, das wir im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, über uns schlagen – und das dürfen wir ja jeden Tag wenigstens am Morgen und am Abend ganz bewusst tun – lasst uns dankbar denken an diesen unseren einen und einzigen Gott, der über uns wacht im Vater, der uns behütet, neben uns geht im Sohn, der uns begleitet, und in uns lebt im Heiligen Geist, der uns beflügelt. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist – heute und alle Tage bis in Ewigkeit. Amen.
Geist in uns
Pfingstpredigt in Maria Rain und Maria Trost
Vor über 50 Jahren wurde mir ein Kinderwunsch erfüllt: Ich bekam ein ferngesteuertes Auto geschenkt. Das Auto und die Fernbedienung waren durch ein Kabel verbunden, das ungefähr ein Meter fünfzig lang war. So musste ich also dicht hinter dem Auto herlaufen, um es mit der Fernbedienung lenken zu können. Erst später gab es die schnurlos gesteuerten Fahrzeuge. Die hatten natürlich einen viel größeren Bewegungsradius. Vor kurzem zeigte mir ein junger Vater voller Begeisterung sein neues Spielzeug: Er hatte sich eine Drohne gekauft mit einer Reichweite von ungefähr 10 km. Wie sich doch die Technik so entwickelt …
Und wir Menschen? Wie entwickeln und wie bewegen wir uns denn eigentlich? Sind wir Menschen auch so etwas wie ein Spielzeugauto oder wie eine Drohne und werden ferngesteuert? Von Gott? Wenn ich eine Möwe beobachte, wie sie am Himmel ihre Kreise zieht, macht sie auf mich keinen ferngesteuerten Eindruck. Die Möwe scheint mir viel mehr von innen gesteuert zu sein: Sie lässt sich tragen von der Thermik und kann ihren inneren Impulsen folgend frei ihre Bahnen ziehen … Fern-gesteuert wie eine Drohne oder innen-gesteuert wie die Möwe: Was ist der Mensch?
1. Pfingsten: den Blick nach innen richten
Pfingsten ist nicht ein Fest der Fernsteuerung, sondern ein Fest der Steuerung von innen! Aber sind wir nicht alle gewohnt, dadurch wie ferngesteuert zu sein, dass wir unsere Blicke ständig nach außen richten? Wir schauen die Schaufenster an und die Menschen, die uns begegnen, wir schauen in den Fernseher oder auf das Smartphone: Wir blicken nach außen. Und das, was wir da von außen hören und sehen, das prägt uns, das beeinflusst uns. Wir sind im Alltag also in vieler Hinsicht fern-gesteuert, gesteuert durch unzählige Reize, die von außen kommen.
Sofern wir fern-gesteuert leben, tun wir uns mit Pfingsten schwer. Denn Pfingsten lenkt unseren Blick nicht nach außen, sondern nach innen! Der Heilige Geist lebt und wirkt in uns. Das ist sicherlich auch der Grund, warum der Heilige Geist als dritte göttliche Person kein menschliches Gesicht hat – im Unterschied zum Vater oder zum Sohn. Der Heilige Geist braucht kein menschliches Gesicht, weil er in uns wohnt. Im Evangelium (Joh 14,15-26) hörten wir, dass der Heilige Geist uns erinnern wird, uns durch einen inneren Impuls hinweisen will auf das, was gut ist für uns. Ja, der Heilige Geist wohnt und wirkt in uns! Darum lasst uns nicht nur an diesem Pfingstfest unseren Blick nach innen richten …
2. Mit dem inneren Navigationssystem vertraut werden
Oft sind wir Menschen ferngesteuert. Wenn wir aber nur ferngesteuert leben, dann sind wir nicht zuletzt manipulierbar, unfrei, ohne Eigenverantwortung, ohne Würde. Als Gottes Ebenbild sind wir Menschen aber zur Freiheit erschaffen. Diese unsere Freiheit dürfen wir gestalten, denn wir sind individuelle Wesen, einmalig und einzigartig. Von außen gesteuert wird der Mensch zu einem Serienartikel, zu einem Modell von der Stange. Gottes Schöpfungsakt ist aber keine Fließbandproduktion. Gott schafft Originale! Und jedes Original hat einen eigenen Impulsgeber, ein eigenes Gewissen. Ja, das Wirken des Heiligen Geistes hat viel zu tun mit dem, was wir Gewissen nennen. Die innere Stimme, die mir sagt, welche Wege für mich gut und wichtig sind und welche nicht: Ähnlich wie ein Navigationssystem, ein inneres Navi! Das Navi muss das GPS-Signal erkennen, damit es seine Funktion wahrnehmen kann. Das Navigationsgerät an sich, das in uns alle gleichsam hineingetauft ist, dieses Gerät nützt mir erst, wenn ich mich einlogge, damit diese individuelle Anleitung meines Lebens möglich wird. Selbst die Künstliche Intelligenz kann uns bestenfalls Hinweise geben von außen, aber sie wird niemals meine innere Stimme ersetzen oder mir sagen können, wie ich vor meinem Gewissen entscheiden soll. Und genau darum feiern wir heute Pfingsten ...
3. Der Hauch des Geistes leitet, wärmt und belebt …
Ja, ich bin ein Geschöpf, ein Original mit einer gigantischen Innenwelt, mit einem wunderbaren Innenleben! Pfingsten kann und will unseren Blick auf diese Innenwelt schärfen, will unsere Lust wecken, unser Leben von innen heraus zu erspüren und Freiheitsräume zu gestalten. Pfingsten will uns wieder erfahrbar machen, dass Gott durch seinen Heiligen Geist uns von innen heraus wärmt und belebt, leitet und tröstet, ermutigt, erneuert und verwandelt … Ähnlich wie die Möwe, die sich von einem inneren Prinzip geleitet von der Thermik tragen lässt, so kann der Mensch aus der inneren Begegnung und Zwiesprache mit Gott heraus vom Geist geleitet leben.
Papst Franziskus hatte in „Amoris laetitia“ gesprochen von einem „ausschließlichen Raum, den jeder seinem Umgang mit Gott vorbehält.“ (320) Dieser ausschließliche Raum ist das Innerste des Menschen, wo die ganze Schönheit der inneren Welt wohnt. Diesen inneren Raum können wir täglich mit Andacht betreten, um Gott nahe zu sein, um die Thermik der Liebe Gottes zu spüren. Diese Erfahrung in diesem inneren Raum ermöglicht uns, wie der Papst weiter formuliert, „in der Liebe Gottes den Sinn des eigenen Lebens zu finden.“ (320)
Ferngesteuert wie eine Drohne? Nein, so sind wir Menschen nicht gewollt von Gott. Treten wir an diesem Pfingstfest dankbar und bewusst ein in diesen inneren Raum, lassen wir uns wieder locken dorthin, wo wir die Schönheit unserer Würde und unserer Berufung entdecken: Unseren je eigenen individuellen Lebenssinn. Wenn wir dem inneren Impuls folgend uns tragen lassen von der Thermik des Heiligen Geistes, dann werden wir wie ein Möwe trotz aller Erschwernisse dieses Lebens die Leichtigkeit spüren und trotz aller Bedrängnisse die Weite – der Unendlichkeit entgegen ... Komm, Heiliger Geist, Du Geist in uns! Amen. Halleluja!