Ostern entgegen
Predigt am 25.03.23 (5. Fa.-So. A) in Maria Rain
Wenn wir in zwei Wochen Ostern feiern dürfen, das Fest der Auferstehung, das Fest des Lebens, dann werden viele Menschen unserer Erde Ostern erleben in einer traumatisierenden Konfrontation mit dem Tod: Menschen haben ihr Leben verloren in einem sinnlosen Krieg, Menschen haben ihr Leben verloren bei einem heftigen Erdbeben, Menschen haben ihr Leben verloren auf der Flucht über das Meer. Viele Menschen trauern um einen geliebten Menschen, der auf diese oder ähnlich tragische Weise sein Leben verloren hat. Auch für diese Menschen soll Ostern werden. Wie kann das gehen? Und was sagt uns das über unser Osterfest? Ich möchte aus dem heutigen vorösterlichen Evangelium von der Auferweckung des Lazarus (Joh 11) nur drei Momente mit ihnen anschauen, die uns helfen können, in guter Weise Ostern feiern zu dürfen!
1. Jesus weint
Ein erster: “Da weinte Jesus” (Joh 11,35), berichtet uns der Evangelist. Auf dem Weg zum Grab seines verstorbenen Freundes Lazarus weinte Jesus. Warum hat uns der Evangelist soetwas überhaupt aufgeschrieben? Ist das nicht peinlich: Ein Jesus, der weint? Es gibt ja noch weitere Stellen in den Evangelien, die von einem weinenden Jesus berichten. Ich bin dankbar zu wissen, dass mein Jesus auch geweint hat. Jesus ist ein Mensch, ein Mann, der nicht unverwundbar ist. Er ist über den Tod seines Freundes “im Innersten erschüttert”, hieß es zuvor. Jesus ist ein Mensch, ein Mann, der verwundbar ist, der Betroffenheit empfindet und diese Empfindung auch ausdrücken und zeigen kann. Jesus kann weinen. Jesus weint – damals im Evangelium. Und Jesus weint auch heute – zumindest darf ich mir das so vorstellen. Jesus weint über die Opfer der Kriege, über die Opfer von Naturkatastrophen, über die Opfer jener Menschen, die auf der verzweifelten Suche nach einem Ort für ein menschenwürdiges Leben ihr Leben verlieren. Jesus weint. Wann habe ich das letzte Mal geweint? Finde ich Tränen angesichts all der tragischen Tode oder angesichts anderer Tragödien in meinem Leben oder in meinem Lebensumfeld? Oder bin ich abgebrüht? Sind meine Tränen vertrocknet? Kann mich gar nichts mehr erschüttern, weil ich einen großen Stein vor meine Herzenstür gewelzt habe, so wie man damals mit einem Stein die Felsengräber verschlossen hat? Wenn wir in guter Weise Ostern feiern wollen, dann sollten wir zunächst von diesem Jesus lernen: Jesus weint.
2. Jesus ruft: Komm heraus!
Aber Jesus verliert sich nicht in seinen Tränen. Nach dem Weinen findet Jesus bald zum Handeln. Er tut etwas. Er reagiert auf den Tod seines Freundes. Er geht an das Grab, nicht um dort zu beten oder seine Trauer zu verarbeiten. Sondern Jesus geht an das Grab, weil er den Tod seines Freundes nicht hinnehmen will. Er will ihn auferwecken. “Komm heraus!” (Joh 11,43) ruft Jesus mit lauter Stimme in das Grab hinein. Das ist zunächst komisch. Keiner von uns würde in ein Grab hineinrufen: “Komm heraus!” Wir tun das nicht, weil wir wissen, dass wir nicht die Vollmacht haben, Tote aus den Gräbern zu rufen. Jesus aber ruft mit lauter Stimme und befiehlt seinem toten Freund: “Komm heraus!” Dieser Ruf ist ein hoheitlicher Ruf, ein machtvoller Ruf, ein göttlicher Ruf, ein Ruf ins Leben! Jesus ruft und Lazarus hört! Und er befolgt, was Jesus ihm zuruft: Er kommt aus dem Grab heraus. Und wir? Vielleicht sind es andere “Tode”, von denen Jesus auch uns auferwecken will: Ich denke an unseren Pessimismus, an unseren Kleinglauben, an unsere Zweifel, an unsere Resignation, unter denen wir manchmal wie begraben sind. Wollen wir in diesen Gräbern lebendig begraben bleiben? Oder lassen wir uns von Jesus zurufen: “Komm heraus aus Deinen Gräbern!”? Wenn wir in guter Weise Ostern feiern wollen, dann sollten auch wir uns von Jesus herausrufen lassen: “Komm heraus!”
3. Jesus sagt: Nehmt den Stein weg!
Dass unser Jesus ein Jesus ist, der nicht zögert, auch mir seinen kraftvollen Ruf “Komm heraus!” zuzurufen, der nicht zögert, mich mit seinem österlichen Leben anzustecken, können wir uns sicherlich vorstellen. Aber im Evangelium wird dies ja nur möglich, weil die Leute sich vorher richtig Mühe geben mussten: “Nehmt den Stein weg!” (Joh 11,39), fordert Jesus. Und dieser Stein war kein Steinchen. Die Steine, mit denen die Felsengräber verschlossen wurden, das waren große und wirklich schwere Steine. Die konnte man nicht mal eben so an die Seite schieben. Ich finde das schön: Nicht dass der Stein vor dem Grab des Lazarus so schwer war, sondern ich finde es schön, dass Jesus sein Auferweckungswunder nicht einfach so tut, dass die Leute, die dabeistehen, nicht einfach nur Zuschauer sind. Jesus braucht die Leute. Er mutet ihnen diese schwere Aufgabe zu, den schweren Stein beiseite zu schieben. Er traut ihnen diese Aufgabe zu. So werden die Leute unmittelbar Mitwirkende an diesem Auferweckungswunder. Bei manchen Gläubigen habe ich manchmal den Eindruck, die beten und beten, dass Jesus endlich etwas tut! Dass aber unser Jesus ein Jesus ist, der sagt: “Nehmt den Stein weg!”, oder: “Füllt die Krüge bis zum Rand!” oder: “Werft die Netze aus!”, der also immer und immer wieder die Menschen zu Mitwirkenden seiner Wunder macht, das sollten wir nicht übersehen. Wenn wir in guter Weise Ostern feiern wollen, dann sollten wir uns fragen, ob wir auch bereit sind, das Mögliche, das Sinnvolle, das Hilfreiche zu tun, auch wenn es uns vielleicht schwer fällt, wie z.B. der Stein vor dem Grab nur schwer wegzunehmen war? Fest im Glauben stehen, heißt sicher nicht, Jesus machen lassen. Jedenfalls nicht nur! Wenn wir das Unsere getan haben, dann kann Jesus sein Osterwunder wirken.
Wenn wir in zwei Wochen Ostern feiern dürfen, werden manche Ostern erleben angesichts tragischer Tode oder tragischer Ereignisse. Wenn uns auch die Tränen fehlen: Jesus weint! Wenn wir auch zögerlich sind: Jesus ruft mitten im Tod ins neue Leben! Wenn wir manch schwere Arbeit gerne an Jesus delegieren würden: Jesus fordert uns auf, das Mögliche zu tun! Dann kann Ostern werden.
Amen.
Osteraugen
Predigt am 19.03.2023 (4. Fa.-So. A) in Wertach und in Oy
Vor einigen Jahren habe ich mit Reiner ein Jahr lang zusammen gewohnt. Reiner war nach der Schulzeit nach und nach erblindet. Ich habe Reiner oft begleitet und ich habe viel gelernt über das Leben eines Blinden. Reiner war trotz seiner Erblindung ein fröhlicher Mensch. Reiner hatte einen starken Willen, von Jesus geheilt zu werden, was aus medizinischer Sicht völlig unmöglich ist. Reiner ist inzwischen Priester geworden. Er wird heute das heutige Evangelium (Joh 9,1-41) – dank technischer Hilfsmittel – vorlesen und verkünden. Wie es ihm wohl dabei ergeht? Jesus heilt einen Blinden – wenigstens hatte er das damals getan...
1. Gott sieht, was ich noch nicht sehe
Im Unterschied zu Reiner sind wir nicht erblindet. Und doch wollen wir gemeinsam anschauen, was uns an diesem Evangelium auffällt. Das Erste, worüber ich staune: Jesus sieht alles. Er übersieht nichts. Er sieht sofort, was der Blinde braucht. Jesus sieht genauso, was ich brauche. Jesus kann nicht mit ansehen, wie ich meine Augen verschließe – vor der Schönheit dieser Erde – oder vor der Hässlichkeit meiner eigenen Fehler – oder vor der Not meines Nächsten. Gott sieht mich eben genau so, wie ich bin. Und Gott sieht, dass ich viel mehr sehen könnte, dass ich mancherlei Blindheit überwinden könnte, dass ich die Welt und mich selber und das Beziehungsgeflecht, in dem ich lebe, in einem neuen Licht sehen könnte. Gott sieht das alles und er möchte, dass meine Sehkraft wächst. Er möchte, dass ich mit Osteraugen in diese Welt schaue und auf mein Leben. Osteraugen nenne ich das. Osteraugen sind Augen mit einer großen Wahrnehmungsfähigkeit für das Leben. Gott will, dass meine Wahrnehmungsfähigkeit zunimmt. Nur wer gut wahrnehmen kann, kann auch sein Leben wirklich weiter entwickeln und möglichst gut gestalten. Gott will meine blinden Flecken heilen, damit meine Wahrnehmungsfähigkeit lichter wird und ich meinen Blick schärfe. Ähnlich wie den Blinden im Evangelium will Gott auch mich sehend machen, meine Osteraugen öffnen...
2. Gott will meine Osteraugen öffnen, das Gute mehr zu sehen
Wie oft sind wir blind für das Gute? Für das Schöne? Für das Lichte? Was wir sehen, das sind z.B. die Bilder in den Nachrichten. Wo sehen wir da hin? Was schauen wir an? Was nehmen wir wahr an zumeist negativen Berichterstattungen? Nehmen wir genau so gut wahr das andere: Das Positive, das Kostbare und Schöne? Sind wir nicht manchmal blind für das, was unser Leben wertvoll und lebenswert macht? Nehmen wir wahr, was uns am anderen gefällt? Nehmen wir wahr, was den anderen einmalig und einzigartig macht? Wie ist unsere Wahrnehmung für die Natur, die Schöpfung? Und für die Freuden des Lebens? Sehen wir, was der andere braucht? Was ihm gefällt? Was sein Leben ausmacht? Halte ich meine Augen offen für die Wunder des Lebens?
3. Mit unseren Osteraugen Jesus erblicken
Von Reiner habe ich gelernt, wie kostbar es ist für mich, dass ich mit meinen Augen sehen kann, dass ich lesen und schreiben und am Morgen den Sonnenaufgang in mich aufnehmen kann, weil ich gesunde Augen habe. Gleichzeitig habe ich aber auch gelernt, dass es noch eine ganz andere Sehkraft gibt im Menschen. Denn Reiner hat eine enorm gute Wahrnehmung für den Menschen, so dass ich überzeugt bin, dass er ein guter Seelsorger ist, obwohl er die Menschen nicht sehen kann. Und ich habe von Reiner gelernt, dass wir alle Osteraugen haben. Durch seine Erblindung hatte Reiner seine Osteraugen geschult. Er konnte mit seinen inneren Augen auch Jesus besser sehen als ich. Er konnte Jesus sehen in seiner Schönheit und in seiner lebendigen Gegenwart. Er konnte besser als ich den Jesus sehen, der uns auch in manchem Dunkel des Lebens zuruft: „Ich bin das Licht der Welt!“ (Joh 9,5)
In drei Wochen dürfen wir Ostern feiern. Wie gut! Denn wir wollen mehr und mehr österliche Menschen werden. Wir wollen lernen, unser Leben und diese Welt anzuschauen mit Osteraugen. Lasst uns mit dem von seiner Blindheit Geheilten zu Jesus sagen: „Ich glaube, Herr!“ (Joh 9,38) Ich glaube, dass Du mich durch und durch siehst. Ich glaube, dass Du mir meine Osteraugen öffnen kannst. Ich glaube, dass ich mit diesen Osteraugen mein Leben und diese Welt in einem neuen Licht sehen kann und dass ich Dich, Jesus, neu sehen lerne als das wahre Licht der Welt, als das Licht meines Lebens. Osteraugen! Nicht erst in drei Wochen… Amen.
Der leere Krug
Predigt am 12.03.2023 (3. Fa.-So. A) in Wertach
Die vorösterliche Zeit will uns neu bewusst machen: Wir alle sind auf dem Weg zur Quelle des Lebens. Die heutige Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen lädt uns ein, diesen unseren Weg zur Quelle des Lebens zu betrachten. Ich will dabei nur drei Details aus diesem wunderbaren Evangelium (Joh 4, 5-42) mit Ihnen anschauen: Den leeren Krug, den Brunnen und diese „andere“ Quelle...
1. Leben mit leeren Krügen
Wie empfinden Sie es heute: Sind Ihre Krüge gefüllt? Oder sind sie leer? Unser Kühlschrank ist sicherlich nicht leer. Dafür dürfen wir dankbar sein. Aber das gewohnte Leben mit dem zu jeder Zeit gefüllten Kühlschrank kann uns täuschen: Wir meinen, dass wir nicht nur an Lebensmitteln haben, was wir zum Leben brauchen, sondern auch an Mitteln zum Leben. Wenn wir näher hinsehen, wird uns bald klar: Genau das haben wir nicht! Der leere Krug, mit dem die Frau an den Jakobsbrunnen kommt, weil sie zu Hause keinen Wasserhahn aufdrehen kann und so dringend das zum Leben notwendige Wasser schöpfen muss, dieser leere Krug ist beständig auch Teil unseres Lebens. Wir sind bedürftig – in vieler Hinsicht: Vielleicht hatte uns das Corona schmerzlich bewusst gemacht; dann der Krieg; auch unsere liebe Kirche, die im jahrelangen Ringen um Erneuerung sich so elend schwer tut, macht mir bewusst, wie bedürftig ich bin. Vieles, was wir zum Leben so dringend brauchen, ist eben nicht immer und jederzeit verfügbar – so wie die Lebensmittel in unserem Kühlschrank. Nicht verfügbar ist die treue Liebe meiner Partnerin oder meines Partners oder meiner Freundin oder meines Freundes. Nicht verfügbar ist der sichere Arbeitsplatz. Nicht verfügbar ist für erschreckend viele Menschen unserer Erde eine Beheimatung. Und die eigene Gesundheit, sie ist alles andere als verfügbar. Unsere Krüge sind immer wieder auch leer. Das gehört zum menschlichen Leben, weil menschliches Leben immer bedürftiges Leben ist. Dafür steht der leere Krug dieser Frau, die an den Brunnen eilt, um mit diesem Krug das lebenswichtige Wasser schöpfen zu können.
2. Der Brunnen bohren in der Tiefe meines Selbst
Nehmen wir jetzt den Brunnen in Blick. Wer keinen Krug besitzt, kann auch kein Wasser schöpfen, denn der Brunnen ist tief. Ich muss den Krug irgendwie herablassen in die Tiefe des Brunnens – nur so komme ich an das frische und Leben spendende Wasser.
Am Jakobsbrunnen verwickelt Jesus diese heidnische Frau auf so geniale Weise in ein Gespräch. Dieses Gespräch nimmt bald eine überraschende Wende. Jesus spricht die Frau an auf einen Durst, der mit Brunnenwasser nicht einfach zu stillen ist. Die Frau spürt sehr schnell, was Jesus meint. Er verspricht ihr ein Wasser, das Er das lebendige Wasser nennt, das Wasser des Lebens.
Leben, das ist ein Zentralwort im Johannesevangelium. Wir finden es dort über 80 mal. Dieses Wort zoä, wie es im griechischen Urtext heißt, meint Leben im eigentlichen und umfassenden Sinn: Ein gelungenes, sinnerfülltes, zur Fülle reifendes Leben, ein Leben, das alle menschliche Sehnsucht stillt. Überraschend ist, dass Jesus der Frau diese Lektion über das Wasser des Lebens zwar an einem Brunnen erteilt, aber dabei von einem ganz anderen Brunnen spricht: Nämlich von einem Brunnen, den jede und jeder von uns hat – und zwar in sich selbst. Wenn Jesus sagen kann, dass das Wasser, das er selber schenken wird, im Menschen zu einer Quelle wird, deren Wasser sogar ins ewige Leben fließt (4,14), dann weist er doch hin auf einen Brunnen, der uns zu jeder Zeit Leben spendet und der tatsächlich zu finden ist – in uns selber. Das ist in meinen Augen eine ganz irre Stelle im Evangelium... Der Brunnen, der mir Wasser des Lebens spendet, ist nicht irgendwo: Er ist in mir. Ich muss ihn nur entdecken!
3. Christus – der Weg zur Quelle des Lebens
Dieser Gedanke, dieses Bild, diese Vorstellung fasziniert mich. Es gibt einen Brunnen in mir. Wow! Die Frau eilt schließlich zurück in die Stadt, um die Menschen aufmerksam zu machen auf diesen Mann, der sie hingewiesen hat auf diesen „anderen“ Brunnen, auf diese Quelle, die in uns selber liegt und die uns Wasser des Lebens spendet. Bemerkenswert, dass uns der Evangelist an dieser Stelle aufschreibt: „Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen“ (4,28). Dieser Krug, der eigentlich notwendig ist, um das Brunnenwasser schöpfen zu können, ist jetzt unwichtig geworden. Denn mehr als nach dem Brunnenwasser dürstet die Frau jetzt nach dem Wasser des Lebens, ein Wasser, das Christus selber ist.
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen, die Corona-Krise haben wir nicht schnell in Griff bekommen – wir haben sie drei Jahre lang aushalten müssen. Den Krieg kriegen wir bisher nicht im Griff. Wann wird endlich Frieden sein? Und unsere liebe Kirche, die so dringenden Bedarf hat an mancherlei Erneuerung, die kriegen wir auch nicht in Griff. Wie lange müssen wir noch warten, bis unsere Kirche endlich lebt, was sie verkündet: Dass Frauen und Männer in gleicher Weise Christus verkünden und repräsentieren können; dass alle in Freiheit entscheiden dürfen im Hören auf ihre von Gott geschenkte Gewissensstimme, wie sie ihren Lebensentwurf gestalten; und dass alle Getauften in der Kirche dieselbe Würde haben! Wie lange müssen wir noch warten…?
Wir warten in diesen Wochen auf das Osterfest, wir warten als Bedürftige. Unsere Krüge sind oft genug leer. Wir dürsten nach dem Wasser des Lebens. Entdecken wir den Brunnen, den Gott in uns hineingetauft hat. Und gehen wir so, wie wir sind, zu Jesus. Jesus will auch Dir und mir zusagen: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich gebe, in Dir zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt“. Amen.
Ein Segen sein
Predigt am 2. Fastensonntag (A, 06.03.2023) in Schwarzenberg
„Ein Segen sollst Du sein!“ So verheißt Gott dem Abram, wie wir heute in der ersten Lesung gehört haben (Gen 12,1-4a). Und Abram glaubt dieser Verheißung. Und diese Verheißung hat sich an Abram erfüllt! Er wurde der Stammvater des Glaubens, er wurde ein Segen für sein Volk, ein Segen, der hineinstrahlt bis in unsere Zeit...
Segen im Aufbrechen
„Ein Segen sollst Du sein!“ Auch über unserem Leben steht diese Verheißung! Bei unserer Taufe schenkte Gott Dir und mir die große Verheißung: „Ein Segen sollst Du sein“! In jedem einzelnen Menschenleben verwirklicht sich dieser Segen Gottes auf einmalige und einzigartige Weise! Im Leben der großen Gestalten des Glaubens fällt auf, dass dieser Segen Gottes nicht nachgeworfen wird, dass er nicht auf einen zukommt, wenn man stehen bleibt, wo man gerade steht. „Zieh weg aus diesem Land!“, ruft Gott dem Abram zu. Verlass Deine Heimat! Lass alles zurück! Brich auf! „Ein Segen sollst Du sein!“ Auch auf unserem Lebensweg gibt es dieses Aufbrechen. Wir werden gezwungen, loszulassen, neu anzufangen, ein Risiko einzugehen. Vielleicht können wir im Rückblick sagen: Dieses Aufbrechen stand unter einer geheimnisvollen Verheißung: „Ein Segen sollst Du sein!“ Gott lohnt unsere Bereitschaft, aufzubrechen – oft genug in ein Land oder in einen Lebensabschnitt, den wir noch nicht kennen. Auch Petrus, Jakobus und Johannes brechen auf mit Jesus, und zwar auf den Berg Tabor (Mt 17, 1-9) – ohne zu ahnen, was ihnen dort widerfährt. „Ein Segen sollst Du sein! – im Aufbrechen.
Segen in der Begegnung
Dieses Aufbrechen zieht sich immer wieder durch unser Leben – bereichert von vielen Begegnungen, die uns auf dem Weg geschenkt werden. Petrus, Jakobus und Johannes begegnen ihrem Freund und Meister Jesus auf ihrem Weg. Und dann dieses wunderbare Ereignis: Dieser Jesus hatte eine tiefe Begegnung mit seinem himmlischen Vater in dem Ereignis, das wir Verklärung nennen. Die Stimme des Vaters ruft aus der Wolke: „Du bist mein geliebtes Kind!“ Wie wunderbar, dass Jesus diese Erfahrung machen darf, seinem himmlischen Vater so ausdrücklich zu begegnen und in dieser Begegnung so deutlich das geliebt sein durch den Vater erfahren zu dürfen. „Ein Segen sollst Du sein!“ in der Begegnung mit Gott, der Dich unendlich liebt! „Ein Segen sollst Du sein!“ in der Begegnung mit Menschen, die Dich kennen und die zu Dir stehen, die Deinen Lebensweg, der immer wieder ein Aufbrechen ist, bereichern. Es gibt Menschen, die haben die Gabe, in ihren Begegnungen das besonders deutlich zu machen: Dass wir einander zum Segen werden, wenn wir uns begegnen in dieser Haltung, mit welcher der himmlische Vater seinem Sohn begegnete, in der Haltung der Offenheit und Liebe! „Ein Segen sollst Du sein!“ – in jeder Begegnung.
Segen im rechten Deuten
Und dann will all das Aufbrechen und das Begegnen gedeutet werden: Was sagt mir das? Was bedeutet das für mein Leben? Petrus, Johannes und Jakobus fallen zunächst mit dem Gesicht zu Boden. Ihre erste Reaktion ist Erschrecken, Erstaunen, sie können es nicht fassen. Doch dann richtet Jesus sie auf: „Habt keine Angst!“ Jetzt können sie das in der Begegnung Erlebte neu deuten. Beim Abstieg vom Berg Tabor erklärt ihnen Jesus: Das, was ihr jetzt erlebt habt, das bewahrt in eurem Herzen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist! Aha! Die Jünger verstehen noch nicht, sie ahnen vielleicht, dass ihr Aufbrechen und diese liebevolle Begegnung zwischen Jesus und seinem himmlischen Vater zu tun haben wird mit dem, was Jesus Auferstehung nennt. Erst nach der Auferstehung Jesu von den Toten werden sie rückblickend wirklich verstehen und richtig deuten können: Der Zuspruch des Vaters „Du bist mein geliebter Sohn!“ ist die Grundlage, ist die Voraussetzung, dass sich für Jesus – mehr noch als für Abram – bewahrheitet die große Verheißung: „Ein Segen sollst Du sein!“ – im rechten Deuten Deiner Lebenserfahrung.
Liebe Schwestern und Brüder, geht es uns nicht ähnlich? Seit der Taufe gilt Dir und mir die große Verheißung: „Ein Segen sollst Du sein!“ Wenn wir auf unseren Lebensweg schauen, dann sehen wir, dass Gott uns immer wieder herausfordert und uns lockt zum Aufbrechen. Im Aufbrechen, im Loslassen, im Neuanfangen wird es möglich, dass wir zum Segen werden.
Und dann die Begegnungen, die unser Leben wertvoll machen, Begegnungen, die getragen und erfüllt sind von gegenseitiger Annahme, Wertschätzung und Liebe. Diese Begegnungen lassen uns auf unserem Lebensweg auf vielfache Weise erahnen und verkosten, was Gott meint, wenn er mir zugesagt hat: „Ein Segen sollst Du sein!“
Und je älter wir werden, so meine ich, um so mehr vermögen wir, unser Aufbrechen einerseits und unser Begegnen andererseits zu deuten, zu deuten in einem größeren Zusammenhang: Dass nämlich unser Leben mehr ist als eine begrenzte Lebenswegstrecke, sondern dass wir erst von der Auferstehung her, die uns ebenso wie die Verheißung des Segens zugesagt ist, ja dass wir einst erst von unserer Auferstehung her letztendlich zu deuten fähig sind, wie tief und wie reich und wie kostbar es ist, was Gott über mich und meinen ganzen Lebensweg geschrieben hat: „Ein Segen sollst Du sein!“ So dürfen wir in diesen vorösterlichen Wochen frohgemut zugehen auf das höchste Fest unseres Glaubens, das Fest der Auferstehung. Denn unser Auferstehungsglaube macht uns in besonderer Weise zu dem, wozu Gott uns braucht, wenn er sagt: „Ein Segen sollst Du sein!“ Amen.
Vor Ostern
Zum ersten Fastensonntag, liebe Schwestern und Brüder, heute keine Predigt von mir. In den Gottesdiensten wird das Hirtenwort unseres Bischofs verlesen. Und ich darf eine Diamantene Hochzeit halten. Aber die dafür vorbereitete Predigt stelle ich nicht hierher - Ihr versteht...
Die Zeit vor Ostern ist eine wertvolle Zeit, finde ich. Strecken wir uns aus nach allem, was uns zu österlichen Menschen machen kann. Die Osterglocken auf meinem Tisch waren noch ganz verschlossen, als ich sie kaufte. Langsam öffnet sich eine Blüte nach der anderen. Ostern ist Leben, Leben in Fülle. Und wir dürfen diesem Leben entgegengehen - trotz dieser oft so lebensverachtenden Zeitumstände...
Eine gesegnete Zeit vor Ostern, das wünsche ich uns allen!
Die Feinde lieben
Predigt am 19.02.23 (A/7) in Schwarzenberg
Liebe Kinder, meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
Sonntag für Sonntag habe ich es sooo gern,
mich mit Euch acht Minuten zu besinnen,
zu spüren: Was steckt im Evangelium drinnen?
Der Abschnitt aus der Bergpredigt Jesu heute
ist nichts für bequeme und angepasste Leute.
In Jesu Rede kommen ganz schöne Hämmer vor,
die hört man am besten mit einer Briese Humor!
Kann uns auch der Humor manchmal zum Lachen bringen,
nimmt er nichts weg vom Ernst. Denn vor allen Dingen
sollen wir beherzigen und nicht bei Seite schieben:
Oh Schreck!! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!!
Die Liebe zum Nächsten ist ein altes Gebot,
das wusste schon Abrahams Neffe Lot.
Mit dem „Nächsten“ meinte man damals seine eigene Sippe,
die Verwandtschaft also, die uns manchmal führt auf eine Klippe,
von der wir abstürzen können, weil es auch hier oft sooo schwer
einander zu respektieren – zu lieben noch viel mehr.
Am Gebot der Nächstenliebe hat sich schon manch einer aufgerieben…
Oh Schreck!! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!!
Jesus setzt also noch eins drauf:
Auf den Familienclan sattelt er einfach auf
und meint jede und jeden, der uns in die Quere kommt,
der uns konfrontiert, ob´s uns taugt oder frommt.
Da sind doch so manche, die kommen uns einfach quer,
die zu achten, zu ehren, das fällt uns unbandig schwer.
Und haben sie es mit uns noch so dolle getrieben….
Oh Schreck! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!
Was Jesus in der Bergpredigt von uns verlangt,
ist ja zunächst einmal – und das sei dem Herrn gedankt! –
ein Hinweis auf SEINE ureigene Art!
ER ist es, der immer die Ruhe bewahrt,
der für seine Henker betet und ihnen im Sterben verzeiht,
und mit dieser Seiner Haltung auch uns hat eingeweiht
in Seine Barmherzigkeit. Und wenn man uns quälte mit vielen Hieben:
Oh Schreck! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!
Dieses „Lieben“ meint ja nicht mögen oder gerne haben,
dieses Lieben meint doch, es redlich zu wagen,
den, dessen Verhalten mir böse erscheint,
der es vielleicht selber gar nicht so böse meint,
als Person zu achten, ihn nicht zu verdammen!
Wir alle haben ja unsere Ecken und Schrammen….
Und so gesehen diesen Bösen nicht einfach auszusieben!
Oh Schreck! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!
Jesus sagt uns im Evangelium immer wieder:
Seid barmherzig, meine lieben Schwestern und Brüder!
Die Barmherzigkeit ist besonders wertvoll und teuer
unserem Papst Franziskus! Dem ist es ungeheuer
wichtig, dass wir im Herzen Gottes dies eine spüren:
Seine Liebe zum Sünder kann Er niemals verlieren!
Wo ist also für den Feind unsere Barmherzigkeit geblieben?
Oh Schreck! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!
Im Vaterunser, da beten wir oft,
dass Gott uns vergeben soll, weil jeder von uns hofft,
dass auch wir dem Schuldner können vergeben,
damit Gott seine Barmherzigkeit uns kann schenken eben.
Dem Nächsten vergeben sollen wir ja elfmal sieben!
Oh Schreck! Wir sollen auch unsere Feinde lieben!
So sind wir mutig und fassen Jesu Worte zusammen:
Liebt einfach noch mehr! – weil wir von Gottes Güte abstammen...
Irgendwie ist Jesu Bergpredigt doch zum Verlieben…!
Wie schön!!! Wir dürfen sogar unsere Feinde lieben! Amen.
Der absolut authentische Prediger
Predigt am 12.02.2023 (A/6) in Oberjoch und Mittelberg
Fragen Sie sich das auch manchmal: Wer oder was ist eigentlich für mich der Maßstab meines Handelns? Woran orientiere ich mein Verhalten? An dem, was viele andere tun? Oder vielleicht an dem, was die Medien mir nahelegen? Oder habe ich einen eigenen, einen inneren Maßstab meines Handelns?
Im heutigen Evangelium (aus Mt 5, 20-37) betrachten wir nicht ein Wunder Jesu, staunen wir nicht über seine Taten, sondern wir sind HörerInnen einer Ansprache, nämlich der Bergpredigt. Die kann als die zentrale Rede Jesu verstanden werden, die wichtigste und vielleicht auch die schwierigste. Matthäus füllt drei Kapitel mit dieser großen Rede Jesu, die Kapitel 5, 6 und 7. An sechs Sonntagen nacheinander hören wir immer wieder einen Abschnitt dieser Predigt. Lassen sie uns zunächst fragen, in welcher Haltung wir uns mit der Bergpredigt auseinandersetzen, mit welcher Lesart wir uns mit ihr beschäftigen wollen.
Die Bergpredigt liest sich als ein Katalog von Anforderungen: Wie sollen wir uns verhalten? Was sollen wir tun? Ja, so liest sich die Bergpredigt. Diese Lesart macht aber keine Freude. Wir sind schnell frustriert, weil wir spüren, dass wir diese Anforderungen niemals erfüllen können. Wir sind irritiert: Warum stellt Jesus so hohe Anforderungen? Wir fühlen uns eher ausgegrenzt und nicht eingeladen.
Wir brauchen also eine andere Lesart für die Bergpredigt. Lesen wir doch die Bergpredigt als eine Grundsatzerklärung eines Predigers, der sich von allen anderen Predigern darin unterscheidet, dass er der einzige ist, der immer authentisch predigt: Das, was Jesus predigt, das lebt er selber auch – und zwar kompromisslos und vollkommen! Wenn Jesus ein Prediger ist, der immer und ausschließlich das predigt, was er selber auch lebt, dann kann man doch in der Bergpredigt eine Menge lernen über Jesus. Und ich behaupte, dass das keine beiläufige Wirkung der Bergpredigt ist, sondern dass wir zunächst einmal und zuerst einmal in dem Anforderungskatalog der Bergpredigt entdecken dürfen, was dieser Prediger damit über sich selber sagt! Erst wenn uns dieses Entdecken, was wir in der Bergpredigt über Jesus erfahren, Freude macht, erst dann können wir uns den zweifellos hohen Anforderungen stellen, die an uns gerichtet sind. Denn dann spüren wir, dass wir eingeladen sind, in den Fußstapfen Jesu authentisch Jüngerin und Jünger Jesu sein zu dürfen. Und dann spüren wir, das es sich lohnt, mit Jesus Wege zu beschreiten, die in unserer Welt oft genug non konform sind, Wege, die uns gegen den Strom der Vielen zu einem „anderen“ Leben führen wollen, einem Leben, das wir als unendlich wertvoll erkannt haben. Wer die Bergpredigt liest, braucht die Neugier und den Mut, mit Jesus einfach „anders“ zu sein und in diesem Anderssein den eigentlichen Sinn seines Lebens zu entdecken. So viel zur Lesart der Bergpredigt: Die Einladung also, im Anforderungscharakter der Worte Jesu zuerst und zunächst einmal ihn selber kennen zu lernen.
Nun schauen wir noch einmal den Abschnitt an, den wir heute gehört haben. Da heißt es drei Mal: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist... – Ich aber sage euch…“ Am kommenden Sonntag werden wir das noch dreimal hören. „Ich aber“ sagt Jesus selbstbewusst, oder besser: Im Bewusstsein seiner messianischen Sendung! Natürlich mussten das einige Hörerinnen und Hörer der Bergpredigt damals als anmaßend missverstehen, weil sie Jesus noch nicht erkannt hatten als den Messias. Uns tut es eher gut, wenn Jesus deutlich macht, worin sich seine Sicht unterscheidet von der üblichen Sicht. „Ich aber“ markiert unmissverständlich den Anspruch Jesu, dass seine Worte eine ganz neue Bedeutung haben...
Im ersten der drei Sätze erinnert Jesus an das Gebot: Du sollst nicht töten. Dann weitet er dieses Gebot und mahnt uns, nicht zu zürnen. Nun, getötet haben wir noch nicht so oft... Zürnen tun wir öfter. Man hat den Eindruck, Jesus verschärft das alttestamentliche Gebot, zumindest dehnt er es aus auf viele Situationen des Alltags, in denen wir verleitet sind, dem Nächsten zu zürnen. Genau das dürfen wir nicht tun, sagt Jesus.
Im zweiten Satz geht es um den Wert der ehelichen Treue. Jesus erinnert zunächst wieder an das Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen. Dann sagt er unverblümt, dass der Ehebruch nicht erst im fremden Bett beginnt, sondern bereits mit den begehrlichen Blicken, die im Herzen dem Ehebruch Bahn brechen. Wer hätte gedacht, dass Jesus in dieser Klarheit Stellung nimmt zu einem Phänomen, das heute zum „Breitensport“ unserer Gesellschaft geworden ist: Die Pornographie. Jesus ist es ernst: Betrüg Dich nicht selbst! Spüre, dass Du Deine Liebe verspielst, wenn Du mit Deiner Begierde spielst.
Im dritten Satz geht es schließlich um das Gebot, immer wahrhaftig zu sein und keinen Meineid zu schwören. Auch hier stellt sich Jesus gegen eine geltende Praxis seiner Zeit und fordert uns auf zur Klarheit unserer Worte und Entscheidungen: Euer Ja sein ein Ja, euer Nein ein Nein…
Liebe Schwestern und Brüder, die Bergpredigt bietet viele Anknüpfungspunkte, um unser Verhalten im Alltag zu prüfen: Leben wir angepasst? Verhalten wir uns so, wie das viele andere eben auch tun? Oder sind wir bereit, ganz bewusst und gemäß unserem innersten Gewissen Werte zu leben, auch wenn das bei anderen vielleicht Kopfschütteln auslöst? Die Bergpredigt bleibt spannend. Besonders reizvoll finde ich aber, in den Worten dieses Predigers den Prediger selber besser kennen zu lernen: Was Jesus hier fordert, das hat er selber vollkommen gelebt.
Ja, wir sind berufen, seine Jüngerinnen und Jünger zu sein. Wir sind berufen und gewürdigt, im Blick auf diesen Jesus hier und heute am Reich Gottes mitzubauen – im Geist der Bergpredigt. Amen.
Habt Salz in euch
Preidgt am 05.02.23 (A/5) in Petersthal und Mittelberg
„Ihr seid das Salz der Erde!“ Manche leiden unter der Kirche, als ob sie uns das Leben versalzen würde. Anderen ist die Kirche inzwischen völlig egal, weil ihr nach ihrem Geschmack jegliches Salz fehlt, sie also geschmacklos und fad geworden ist…
Direkt im Anschluss an die acht Seligpreisungen, die wir vergangenen Sonntag betrachtet haben, ruft uns Jesus heute in seiner Bergpredigt zu: „Ihr seid das Salz der Erde!“ Was will er uns mit diesem Bildwort sagen? Es geht um unsere Bedeutung für das Wachstum des Reiches Gottes. Das Salz erlaubt einige Assoziationen, die uns helfen können, als Zeuginnen und Zeugen des Glaubens dieser unserer Welt Geschmack zu geben.
Salz wurde als das „weiße Gold“ bezeichnet, so wertvoll war es. Salz wurde als Zahlungsmittel benutzt. Das Evangelium wurde in den letzten fast 2000 Jahren von ungezählten Frauen und Männern als der große Reichtum ihres Lebens entdeckt. Ja, sie haben sogar mit ihrem Leben bezahlt für das Evangelium vom Reich Gottes.
Auf sog. Salzstraßen wurde das Salz von seinem Herstellungsort in die salzarmen Regionen transportiert. Bis heute versteht sich das Christentum als missionarische Religion, auch heute suchen wir nach den rechten Straßen, nach geeigneten Wegen, auf denen Glauben weitergeben können an die Menschen unserer Zeit.
Salz wurde früher auch zur Behandlung von Wunden benutzt, da es als reinigend und lindernd galt. Ja, das Evangelium will seine heilende und heilsame, seine lebensbejahende Kraft entfalten! Viele Wunden können wir mit der heilsamen Botschaft von Gottes unendlicher Barmherzigkeit heilen!
Beim Pökeln von Fleisch wird Salz als Konservierungsstoff verwendet. Seit Jesus in unsere Zeitgeschichte eingetreten ist, hat der Glaube immer auch eine konservierende Kraft: Es gilt, Bewährtes zu bewahren, das für den Glauben Unverzichtbare den nachfolgenden Generationen zu erhalten. Dabei kommt es manchmal zu der Auseinandersetzung darüber, wie viele Kräfte wir ins Konservieren und Bewahren investieren sollen und wie viele ins Erneuern und Aktualisieren. Dabei ist doch beides wichtig...
Früher wurden Riechsalze zur Behebung von Schwindel- und Ohnmachtsgefühlen verwendet. Ja, das Evangelium will den Menschen bei manchem Schwindel der Ziellosigkeit Halt und Orientierung anbieten.
Regeneriersalz verwenden wir zur Wasserenthärtung in der Spülmaschine oder Waschmaschine. Als Christinnen und Christen wollen wir dazu beitragen, jede Form von Verhärtung aufzubrechen. Unsere Dialogfähigkeit ist heute wichtiger denn je – in unserer Pfarreiengemeinschaft oder zwischen den Konfessionen im ökumenischen Dialog oder sogar im interreligiösen Dialog, wie ihn die Päpste seit 1986 mit den Weltfriedensgebeten praktizieren. In dem Maße, wie wir den Dialog wagen, sind wir als Glaubenszeugen glaubwürdig.
Salz ist der am meisten konsumierte Mineralstoff der menschlichen Ernährung, der für den Wasserhaushalt, das Nervensystem, die Verdauung und den Knochenaufbau eine Rolle spielt. Ja, unser Glaube ist nicht eindimensional, sondern multidimensional! Er will alle Bereiche unseres Menschseins durchströmen.
Je feiner das Salz, um so eher macht es sich im Geschmack bemerkbar. Jesus braucht Frauen und Männer, die höchst einfühlsam und mit Fingerspitzengefühl die Frohe Botschaft weitertragen und den Menschen Begleitung anbieten.
Jeder Mensch sollte täglich mindestens 3 und max. 20 Gramm Salz zu sich nehmen, also im Jahr 2 bis 6 kg. Überhöhter Salzkonsum kann zu Bluthochdruck führen, zur Erhöhung des Gewichts und zur Schädigung der Nieren. Die Zunahme von 10 Esslöffeln reinem Kochsalz ist tödlich. Wir spüren, wie schwierig oft das gute Maß ist z.B. in der Erziehung der Heranwachsenden: Was ist für die junge Persönlichkeit eine gute Dosierung im vorgelebten und im eingeforderten Glauben?
Streusalz dient zum Auftauen und ist auf unseren winterlichen Straßen für die Autofahrer unverzichtbar, ja lebenswichtig. Der Geist Jesu – er will alle Beziehungen auftauen, die tief gefroren sind, damit wir sicher vorwärts kommen.
„Ihr seid das Salz der Erde!“ Dieses Bildwort Jesu erlaubt eine ganze Menge an möglichen Assoziationen. An anderer Stelle sagt Jesus: „Habt Salz in euch!“ Jesus will uns also animieren und inspirieren zu einer ganzen Fülle von Handlungen, die dem Reich Gottes dienen sollen.
Abschließend möchte ansprechen, dass es Jesus meines Erachtens zunächst nicht darum geht, uns zum Handeln zu animieren. So wie wir von Jesus beide Worte kennen: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt) und „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh), so könnte Jesus auch sinnrichtig von sich sagen: „Ich bin das Salz der Erde.“ Wir dürfen also zunächst einmal auf Jesus schauen, wir dürfen an Jesus Maß nehmen. Er lebt uns vor, was es heißt, Geschmack zu finden am Evangelium, am Aufbau des Reiches Gottes. Dann dürfen wir als GlaubenszeugInnen das Leben schmackhaft machen für Viele! Dann ist es auch keine Überforderung mehr, sondern ein Vertrauenserweis, wenn Jesus sagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Amen.
Gute Stimmung!?
Predigt am 29.01.23 (A/4) in Mittelberg und in Maria Rain
Welche Stimmung haben Sie, liebe Schwestern und Brüder? Welche Stimmung haben Sie, wenn Sie die täglichen Nachrichtensendungen anschauen? Welche Stimmung haben Sie, wenn Sie mit allerlei Leid konfrontiert werden – sei es mit persönlichem oder mit dem ihnen nahestehender Menschen? Welche Stimmung haben Sie im Fasching? Welche Stimmung haben Sie jetzt in diesem Gottesdienst?
Aber: Ich soll doch jetzt mit Ihnen über das Evangelium nachdenken. Wieso frage ich Sie da nach Ihrer Stimmung? Ist die jetzt nicht völlig nebensächlich? Nun, ich durfte Ihnen gerade verkünden, was Jesus am Ende der Seligpreisungen (Mt 5, 1-12a) gesagt hat. Da steht nämlich die Aufforderung: Freut euch und jubelt! Ist das etwa nicht die Aufforderung zu einer ganz besonderen Stimmung? Will Jesus unsere Stimmung in Freude und Jubel verwandeln? Ja, das will er – offensichtlich! Also ist die Frage doch sehr berechtigt, ob wir aus diesem Gottesdienst so nach Hause gehen, wie wir gekommen sind – vielleicht mit einer eher negativen oder mittelmäßigen Stimmung, oder ob wir uns dieser Aufforderung wirklich öffnen und ihr nachspüren: Freut euch und jubelt!
Nun versteht sich das Evangelium nicht als ein Stimmungsaufheller. Wenn wir fähig werden, uns von Herzen zu freuen, ja zu jubeln, dann will das seinen Grund haben. Und diesen Grund zur Freude und zum Jubel – den sollten wir irgendwie erfasst haben, sonst können diese Freude und dieser Jubel uns nicht wirklich erreichen und erfüllen. Die Worte Jesu sind bestimmt kein Placebo und kein Allheilmittel, das unsere Ängste, Fragen und Sorgen wegbläst und uns zu frohen Menschen macht – einfach so. Also schauen wir noch mal hin, worum es denn geht…
Es geht um die basileía, wie es im Urtext heißt. Basileía übersetzen wir mit Reich. Jesus spricht ständig vom Reich. Das ist in allen Evangelien seine zentrale Botschaft! Mal ist vom Reich Gottes die Rede, mal vom Reich des Vaters oder vom Himmelreich. Das meint so ziemlich dasselbe. Wenn wir das Wort Himmelreich hören, dann denken wir doch bestimmt alle an den Himmel, also an ein Leben nach dem Tod. So verwendet Jesus den Begriff Himmelreich auch. Aber oft meint er etwas anderes: Das Himmelreich und das Reich Gottes beginnen hier und heute! Das ist das Besondere an der Botschaft Jesu! Vergangenen Sonntag hatten wir das erste Wort Jesu gehört, das er am Beginn seines öffentlichen Wirkens spricht. Da sagt er: Das Himmelreich ist nahe (Mt 4,17). Wenig später bei Matthäus beginnt Jesus nun seine größte und längste Rede, nämlich die Bergpredigt. Sechs Sonntage nacheinander hören wir immer wieder einen Abschnitt aus dieser Bergpredigt. Heute haben wir den Anfang gehört: Nämlich die bekannten Seligpreisungen. Und da spricht Jesus mehrfach vom Himmelreich. Und nach diesen acht Seligpreisungen fasst Jesus so zusammen: Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn im Himmel wird groß sein.
Man nennt das auch Jenseitsvertröstung, wenn man jemandem, dem es gerade schlecht geht, Mut machen möchte, indem man sagt: Später einmal, wenn Du im ewigen Leben bist, dann wird es Dir gut gehen… Ja, Religion ist immer auch ein Stück Jenseitsvertröstung. Stimmt. Aber unser Evangelium, unsere Frohe Botschaft von Jesus Christus – die ist viel mehr! Da geht es nicht nur um eine Jenseitsvertröstung. Jesus will uns verdeutlichen, dass wir trotz aller Ängste, Sorgen und Leiden Grund haben, uns zu freuen und zu jubeln: Denn das Himmelreich ist nahe. Ja! Das Reich Gottes ist bereits angebrochen – hier und heute!
Und jetzt würden doch viele sagen: Ist das nicht Hohn und Spott? Sehen wir nicht jeden Tag in den Nachrichten, wie schrecklich unsere Welt ist? Wo bitte soll da das Reich Gottes angebrochen sein? Worüber sollten wir uns da freuen und jubeln?
Was wir brauchen, liebe Schwestern und Brüder, ist eine neue Brille, wir brauchen eine andere Sichtweise, wir brauchen eine neue Wahrnehmung, wenn wir Jesus verstehen und uns der Frohen Botschaft wirklich öffnen wollen, die uns hier und heute Grund gibt, uns von Herzen zu freuen und zu jubeln.
Das Reich Gottes lässt sich mit Panzern nicht verteidigen und es zeigt sich auch nicht in den steigenden Bilanzen der Börse. Reich Gottes definiert sich über die Qualität von Beziehung. So hat es Stefan Oster einmal zusammengefasst. Ich finde, dies ist eine großartige Definition, die wirklich aus der Betrachtung des Evangeliums kommt. Jesus will, dass unsere Beziehungen heil werden. Und dafür können und dürfen wir eine Menge tun. In dem Maße, wie wir jeden Tag versuchen, gut miteinander in Beziehung zu treten, wächst das Reich Gottes hier und heute, ist uns das Himmelreich nahe!
Jesus sagt an anderer Stelle, dass wir das Reich Gottes nicht vorweisen können, dass wir den Leuten nicht erklären können: Seht, hier ist es oder dort ist es. Ja, das funktioniert nicht. Und damit tun wir uns vielleicht schwer. Aber das soll unsere Stimmung nicht trüben! Als Christinnen und Christen sind wir aufgefordert, die Welt mit anderen Augen zu sehen! Vor den vielen schlimmen Dingen verschließen wir unsere Augen nicht, keine Frage. Aber gleichzeitig wagen wir einen achtsamen Blick auf das viele Gute, das täglich geschieht und das ich täglich tun darf. Und ist das Gute noch so klein – denken wir an das Gleichnis vom winzigkleinen Senfkorn: Gott kann Großes daraus wachsen lassen. Dies ist das „Prinzip“ des Reiches Gottes, das „Prinzip“ des Himmelreiches hier unter uns! Wenn wir unser Leben mit diesen Augen anschauen, dann dürfen wir diese Aufforderung Jesu nicht zuletzt auch auf unsere Stimmung wirken lassen: „Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein [nicht erst] im Himmel…“! Amen.